Haushaltsrede der Wählergemeinschaft Porta
Veröffentlicht von Dietmar Lehmann in Fraktion · 10 Dezember 2021
Es gilt das gesprochene Wort der Rede am 20.12.2021.
Sehr
geehrte Frau Bürgermeisterin,
verehrte Damen
und Herren des
Rates,
meine
sehr verehrten Damen und Herren,
ich
halte heute meine erste Haushaltsrede als
stellv. Fraktionsvorsitzender, es ist zugleich die
zweite Haushaltsrede der
Wählergemeinschaft Porta hier im Rat. Im
letzten Jahr stand hier an meiner Stelle der
Fraktionsvorsitzende Dr. Friedrich Hillbrand. Es
gehört zum politischen Selbstverständnis der WP, dass wir
zu bestimmten Anlässen die Rollen
innerhalb der Fraktion tauschen.
Ich
möchte zum
eigentlichen Anlass des Tages kommen und somit zur
Verabschiedung des Haushaltentwurfs 2022
der Stadt Porta Westfalica. Und
um es gleich vorwegzunehmen, wir
als WP-Fraktion haben
es uns mit
einer abschließenden Bewertung zum vorliegenden
Haushaltsentwurf nicht
leicht gemacht, auch wenn wir eigentlich gemeinsam Grund
zur Freude gehabt hätten.
Der vorliegende Haushalt
2022 ist der
erste, der nicht mehr der Genehmigung der Aufsichtsbehörden
unterliegt. Wir haben unsere
Eigenständigkeit in der Haushaltsführung wiedergewonnen, zugleich
aber wächst damit auch unsere gemeinsame haushaltäre Verantwortung.
Die Eckdaten
des Haushaltes liegen uns vor, ich brauche sie von
hier aus nicht
noch einmal referieren. Die aktuell geführte Debatte macht
aber bereits deutlich, dass es erkennbare Unterschiede
in der abschließenden
Bewertung des
vorliegenden Haushaltsentwurfs sowie des dazugehörigen
Stellenplans gibt. So
wird mit Blick
auf den Stellenplan von
einigen Fraktionen insbesondere kritisiert,
dass wir im
Rahmen unserer wiedergewonnenen
Handlungsfreiheit erneut Gefahr laufen, dass
wir wieder über unsere Verhältnisse leben.
Nun
ist es nicht so, dass wir als Wählergemeinschaft nicht auch
verantwortungsvoll mit den uns anvertrauten Steuergeldern umgehen
wollen. Auch für uns gilt, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht als
erwirtschaftet werden.
Als WP-Fraktion haben wir im
Rahmen der Beratungen zum
Stellenplanentwurf bereits den Mehrbedarf
im Bereich „Baumpflege und
Baumkontrolle“ kritisiert, weil nach
unserer Auffassung nicht
hinreichend geprüft wurde, ob mit
der Anwendung
zukunftsweisender digitaler Technologien nicht
andere Wege hätten beschritten werden
können. Darüber
hinaus haben wir Kompensationsvorschläge
für den Personalmehrbedarf eingefordert,
die mittlerweile in Teilen vorliegen.
Aber,
um es an dieser Stelle klar zum
Ausdruck zu bringen, uns als
Wählergemeinschaft geht es deutlich um
mehr.
Es geht nicht nur um punktuelle Mehrbedarfe an der
einen oder anderen Stelle. Eine
punktuelle Bewilligung oder Nichtbewilligung einzelner Stellen
ist für
uns noch
kein Gesamtkonzept
für eine moderne und
zeitgemäß aufgestellte Verwaltung, die sich an
den Aufgaben unserer Zeit
orientieren sollte.
Wir
als WP-Fraktion haben daher bereits
sehr früh die Fortschreibung einer systematischen Personal - und
Organisationsentwicklung eingefordert,
um die gegenwärtigen Verwaltungsstrukturen insgesamt auf den
Prüfstand zu stellen.
Es
geht um
eine grundlegende Aufgabenanalyse und -kritik aller kommunalen
Aufgaben. Welche Tätigkeiten müssen vor dem Hintergrund des
Aufgabenwandels in welcher Art und Weise erfüllt werden? Auf welche
Aufgaben kann zukünftig im Rahmen einer Aufgabenkritik verzichtet
werden bzw. welche sind disponibel, welche können von Dritten
geleistet werden? Damit geht es zugleich auch um potenzielle
Einsparungen, damit neue bzw. andere notwendige
Aufgaben übernommen werden können.
Es
geht aber auch und
gerade um
interne Verwaltungsabläufe, Zuschnitte und Schnittstellen, damit
möglichst effizient
und zielgerichtet gearbeitet werden
kann. Zentrale Arbeitsabläufe sollten hinsichtlich ihrer Optimierungspotenziale
untersucht und bei Bedarf vereinfacht werden, damit
- um ein Beispiel zu nennen - bestimmte Aufgabenerledigungen
nicht unnötig parallel bearbeitet
werden.
Unbestritten
ist, dass der gesellschaftliche,
technologische und demografische Wandel, die Sicherung
der Daseinsfürsorge sowie differenzierter
und zugleich komplexer werdende Erwartungshaltungen von
Bürgerinnen und Bürgern sowie der
politisch Verantwortlichen die
Verwaltung vor
immer größer werdende Herausforderungen stellt.
Das
vorläufige Fazit lautet: Insgesamt
muss die
Verwaltung mit immer
weniger Ressourcen immer
schneller immer bessere Ergebnisse erzielen. Das
kann bei gleichbleibenden Strukturen, Kompetenzen und
Technologien nach
unserer Auffassung auf
Dauer nicht gelingen.
Wenn
wir heute als
Wählergemeinschaft eine
zeitgemäße Personal- und Organisationsentwicklung einfordern
und sie auf die Agenda
politischen Handelns stellen, geht es uns an
dieser Stelle nicht um
eine pauschale
Kritik an der
Verwaltung, sondern es
geht um
eine systematische Evaluation und Nachjustierung der Steuerungssysteme und
der damit einhergehenden notwendigen Ressourcen.
Hier
sollte eine von außen professionell begleitete Personal- und
Organisationsentwicklung vor allem als Chance begriffen werden,
um auf
die heutigen Herausforderungen effizient,
transparent, bürgerfreundlich und in hoher
Qualität reagieren zu
können und
um die Grundsätze einer soliden städtischen Finanzpolitik nicht
wieder aus dem Blick zu verlieren. Solide Finanzen sind die Grundlage
für eine gedeihliche Stadtentwicklung!
In
diesem Zusammenhang möchte ich auch Sie, - Frau
Bürgermeisterin - direkt
ansprechen. Ich glaube,
ich darf dies tun,
da ich auch über viele Jahre lang eine
große Zweckverbandseinrichtung
mit weit über 200 festangestellten
Beschäftigten geleitet
habe. Sie
Frau Dr. Gerlach sind angetreten, unsere Stadt
zukunftsfähig zu machen. Dies
gilt insbesondere auch für die Verwaltung. Aufbruch
in eine neue Zeit braucht Begeisterung für die Sache, die
Sie unbestritten haben. Aber
es bedarf auch einer grundlegenden Empathie, vor allem dann,
wenn es darum geht, Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mitzunehmen
und sie für
eine Aufgabe zu gewinnen. Vor allem aber
gilt es, gemeinsam sprachfähig zu bleiben.
Meine
sehr verehrten Damen und Herren,
insgesamt
birgt der heutige Haushaltsentwurf trotz zunächst guter Aussichten
für die kommenden Jahre auch erhebliche
Risiken. Wir wissen heute noch nicht,
wie sich
letztendlich die Coronapandemie auf die Entwicklung der
Steuereinnahmen auswirken wird, ganz zu schweigen von
den Kostensteigerungen
im Bereich der Schulbauten.
Aktuell zeichnen sich bei fast
allen Bauprojekten
gravierende Preissteigerungen ab,
die die bisherigen Planungen in
Frage stellen. Welche Konsequenzen
dies letztendlich haben wird,
z.
B. bei der Sanierung, Erweiterung oder bei einem möglichen Neubau
der Grundschule Neesen, lässt sich heute noch nicht
bilanzieren.
Ich
möchte in diesem Zusammenhang noch kurz das Thema Vergabeverfahren
ansprechen. Die Stadtverwaltung hat bei
vielen Vergabeverfahren, insbesondere bei größeren
Baumaßnahmen externes Wissen von Experten in
Anspruch genommen. Wie
hoch waren eigentlich die Kosten in den letzten Jahren für diese
externen Beratungsleistungen und was hätte eine entsprechende
städtische Fachkraft für Vergabe- und Baurecht leisten können? Hier
kommt dem Controlling eine wesentliche Bedeutung zu, um auf
den unterschiedlichen Entscheidungsebenen die dafür notwendige
Transparenz herstellen zu
können.
Als
Ausschussvorsitzender für Bildung, Soziales, Sport und Kultur
erlauben sie mir an dieser Stelle noch auf einen anderen Aspekt
hinzuweisen. Wir
wissen alle, dass wir vor
dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder
im Grundschulalter ab dem Schuljahr
2026/27 zeitnah damit einhergehende
räumliche Bedarfe an
unseren Grundschulstandorten prüfen
müssen.
Aber
es geht nicht
allein darum. Neue
gesellschaftliche Anforderungen an die Schulentwicklung führen zu
einer erweiterten Verantwortung der Kommunen im Bildungsbereich.
Schule
muss zukünftig nicht nur räumlich gedacht werden, sondern es
geht auch und gerade um zeitgemäße pädagogische
Anforderungen. Auch hier sind wir wieder beim Thema, inwieweit die
Verwaltung durch zusätzliche Stellen gestärkt werden muss, um
diesen inhaltlichen Anforderungen gerecht
zu werden.
Zu den strategischen Anforderungen
gehört auch der
Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit. Auch
hier geht es darum,
Aufgaben der Daseinsfürsorge zu optimieren und
effizienter zu
gestalten, dies kann auch und
gerade durch
die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen geschehen. Dabei
geht es allein nicht
nur um Fragen
der Wirtschaftlichkeit, sondern vielmehr auch um die
langfristige Sicherstellung der eigenen Aufgabenerfüllungspflichten.
Vielleicht sollten wir dabei klein anfangen, z.B. wenn es um die
Zukunftsfähigkeit der Musikschule und Stadtbibliothek geht.
Auch
wenn ich bereits viel über Personal und Kosten gesprochen haben,
erlauben Sie mir an dieser Stelle noch kurz eine Anmerkung zum
Artikel des Mindener Tageblatts vom letzten Freitag „Millionen für
den Ruhestand“. Dass
Versorgungsleistungen für Ruheständler im Beamtenbereich gezahlt
werden – auch an deren Hinterbliebene – ist
eigentlich keine Meldung wert, schließlich regelt dies das
Beamtenrecht. Statt der
einfachen Feststellung
hätte die Frage eigentlich lauten müssen, wieviel Beamte braucht
eine Stadt? Summiert
man z.B. die
jährlichen Aufwendungen der öffentlichen
Haushalte für Angestellte und Beamte in ihrer aktiven Zeit und im
Ruhestand, so zeigt sich, dass sowohl im höheren Dienst als auch im
mittleren Dienst die Ausgaben für Beamte höher sind als für
Angestellte. Es
stellt sich somit auch für die Politik die Frage, welche
hoheitlichen Befugnisse kommunal gesehen zwingend von Beamtinnen und
Beamten ausgeübt werden und welche nicht. Mit
Blick auf unsere Haushaltslage lohnt es sich, auch an den kleinen
Stellschrauben zu drehen.
Es
gäbe sicher noch viele andere Themen, ich will es bei kurzen
Stichworten belassen. Es geht nach 10
Jahren Stillstand um die zügige Weiterentwicklung des
Kaiserhof-Areals, an anderer Stelle um den eingeleiteten
ISEK-Prozess für das Quartier „Georg-Rost-Straße, das
Wohnquartier braucht
dringend einen
stadtplanerischen, sozialverträglichen und integrativen Neustart und
es geht um die
Umsetzung eines nachhaltigen touristischen Gesamtkonzepts rund
um den Wittekindsberg.
Wenn
wir es gemeinsam schaffen, unsere Stadt tatsächlich auf den Stand
der Technik zu bringen, die Verwaltung digital zu organisieren,
unsere Infrastruktur zu modernisieren und den ewig versprochenen
Ausbau der Netze voranzubringen, dann haben wir gemeinsam viel für
die Menschen dieser Stadt erreicht.
An
dieser Stelle möchte ich mich bereits bei allen Kolleginnen und
Kollegen im Rat und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Stadtverwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.
Meine
sehr verehrten Damen und Herren,
insgesamt
erreicht der heute zur Abstimmung gestellte Haushaltsentwurf die
finanzpolitischen Mindestziele. Das negative Jahresergebnis kann
durch die Rücklage ausgeglichen werden. Was uns als
Wählergemeinschaft fehlt, ist der Gestaltungswille. Wir
wollen u.a. einen konsequenten und nachhaltigen Einstieg in die
Digitalisierung auf allen Ebenen. Wir fordern eine zeitgemäße
Personal- und Organisationsentwicklung, um vor dem Hintergrund des
Aufgabenwandels Qualitätsstandards für sämtliche Arbeitsbereiche
der Verwaltung zu erstellen sowie um einen genauen Personalbedarf zu
ermitteln. Darüber hinaus sehen wir verschiedene Handlungs- und
Konkretisierungsbedarfe in den von uns angesprochenen
Handlungsfeldern.
Wir
werden als Wählergemeinschaft dem Haushalt 2022 daher in dieser Form
nicht zustimmen. Mit der Ablehnung wollen wir ein deutliches Zeichen
setzen, das dringend ein Umdenken stattfinden muss.
Ich
danke für die Aufmerksamkeit.
.
Dietmar
Lehmann
Stellv.
Fraktionsvorsitzender